Magic Body Control – die Zukunft des Fahrens

Wie fängt man einen Artikel an in dem es um die neueste Schöpfung eines der führenden Technologie-Konzerne gehen soll? Ja, richtig gehört – in meinen Augen ist Daimler nichts anderes – es gibt nur wenige Konsumgüter-Hersteller (ein Automobil ist ein Konsumgut) die so pedantisch seit Jahrzehnten bzw. seit über einem Jahrhundert immer das Maximum aufbringen um dadurch das Autofahren nicht nur sicherer sondern auch komfortabler (und damit entspannter und nochmals sicherer) zu machen.

Da ich hier nicht alles wieder aufwärmen möchte was Daimler-Benz auf diesem Gebiet bereits geleistet und veröffentlicht hat, steige ich direkt beim W126 ein!

Der Weg zum vollautomatisch bzw. aktivem Fahrwerk beginnt irgendwann in den 1980er Jahren, denn nur mit Hilfe der Microprozessor bestückten Elektronik war es möglich die von Sensoren erfassten und weitergeleiteten Signale an einen Rechner weiterzugeben um dann das Fahrwerk auf etwaige Straßenschäden oder Fahrmanöver des Fahrers vorzubereiten und diese dadurch beherrschbar zu machen.

Diese Systeme waren bei Mercedes immer schon auf einem hydraulischen Grundfahrwerk aufbauend – im W126 als HPF „Hydropneumatisches-Fahrwerk“ bekannt und sehr ähnlich, jedoch gleichwohl deutlich komplexer, den Fahrwerken der großen Citroen-Modelle – eben mit der Daimler-bekannten Raffinesse im technischen Detail.

Ende der 1980er Jahre gab es nun einen W126 Erprobungsträger (s.o.) der Grundmerkmale des ABC-Fahrwerks in sich vereinte. Dieses Active-Body-Control ist praktisch eine aktive HPF, Ziel war seinerzeit eine weiche Dämpfungskennlinie mit hoher aktiver Fahrsicherheit und Beherrschbarkeit zu vereinen. Weiteres Merkmal lag auf der deutlichen Verringerung der Wankbewegung des Aufbaus (z.B. Seitenneigung) und damit einhergehend höhere erreichbare Kurvengeschwindigkeiten.

Im Forschungs-Sportwagen C112 wurde dann im September 1991 auf der IAA in Frankfurt ein weiterer Forschungswagen präsentiert der erstmals über eben jene (auch erstmals als solche bezeichnete) Active-Body-Control verfügte.

Jedoch war für den Serieneinsatz des ABC-Fahrwerks in den Baureihen 215, 220 und 230 noch einiges an weiterer Forschungsarbeit notwendig bis das System  1999 schließlich im CL präsentiert wurde. Links im Bild sieht man deutlich die reduzierte Seitenneigung des Aufbaus im Vergleich zum Vorgänger-Coupé.

Ein weiterer sehr spannender Erprobungsträger war u.a. ein in der Mitte verlängerter und mit noch breiterer Spurweite stark veränderter E500 der Baureihe 124. Mit ihm wurde viel Feinabstimmung an der Active-Body-Control betrieben ohne dass die Außenwelt hiervon Notiz nahm.
In Fachkreisen spricht man bei solchen Tarnfahrzeugen die etwas anderes durch ihre Karosserie vortäuschen, von einem Muletto. Denn hier ist zwar zu manchen Teilen ein 124.036 genutzt worden, aber vermischt mit Bauteilen der S-Klassen W140 und W220.

Auf der IAA 2007 zeigte man dann mit dem Forschungsfahrzeug F700 quasi die S-Klasse von Übermorgen – wobei man hier mal eins ganz klar sagen muss: bis auf den großen Kühlergrill war und ist das Design für mich ein Schock!

Doch hier geht es um die wegweisende Technik – dieser Wagen verfügte erstmals über ein mitdenkendes ABC-Fahrwerk. D.h. er kann die Federung schon vor dem Schlagloch darauf vorbereiten und so den Abrollkomfort deutlich steigern, zum Wohle der Fahrzeuginsassen. Mittels Laserscannern tastet der Wagen die Straße vor sich ab und weiß so genau was ihn bzw. seine Insassen erwarten wird.

Dieses System nannte man seinerzeit „PRE-SCAN® Fahrwerk„, dessen Bezeichnung sich vermutlich aber noch in MAGIC BODY CONTROL ändern wird, aber wer weiß das zum heutigen Zeitpunkt schon so genau – passend wäre es jedenfalls in der aktuellen Mercedes-Terminologie.

Denn in der neuen S-Klasse W222 wird u.a. dieses System wieder einmal den Abstand zu den Mitbewerbern ausbauen, es wird eines der Highlights dieser neuen Oberklasse-Limousine werden.
Ziel war hier und heute nur schon einmal vorwegzunehmen wie viele Jahre und welch enorme Entwicklungsarbeit in diesem System stecken – man kann mit Sicherheit davon ausgehen: hätte man es früher anbieten können, es wäre gemacht worden! Doch erst jetzt mit der neuen Stereokamera – die in Kürze in der MOPF E-Klasse W212 eingeführt wird und auch im Sommer in der neuen S-Klasse angeboten werden wird – sind solche Systeme möglich geworden. Das Auto muss hierfür sehen und denken wie ein Mensch, dann kann es auch so agieren wie Mensch es sich vorstellt.

Der SA-Code 487 wird auch für die MAGIC BODY CONTROL im W222 Gültigkeit haben (derzeit steht hinter diesem Code noch das ABC-Fahrwerk).

UPDATE:

Wir von fuenfkommasechs haben endlich die Pressemappe vom TecDay im September 2010 zur MAGIC BODY CONTROL aufgetrieben und können euch jetzt tolle Fotos vom damaligen Prototypen auf Basis eines W221 preMOPF zeigen.
Der ausgesuchten Fachpresse aus aller Welt wurde von den Entwicklern um S-Klasse Baureihenleiter Hans Multhaupt und Prof. Bharat Balasubramanian erstmals die Vorteilhaftigkeit diesen neuen Fahrwerksystems live präsentiert.
Damals baute das System noch auf „doppelten Sensoren“ auf, zu der Stereokamera in der Windschutzscheibe kamen noch Laser-Scanner neben den komisch anmutenden Scheinwerfern die den Boden vor dem Fahrzeug erfassten und es so möglich machten dass im Forschungsfahrzeug unterhalb von 130 Km/h kurze wie lange Bodenwellen praktisch restlos abfedert und so für die Insassen ausblendet werden konnten – oberhalb dieser Geschwindigkeit blendete sich das System dann langsam aus und der Wagen fuhr so kommod wie eine S-Klasse mit ACTIVE BODY CONTROL eben fährt, also auch schon à la carte.
Die Stereokamera war schon in diesem frühen Stadium (Ende 2010!) so gut, dass sie den Bereich von fünf bis 15 Metern vor dem Fahrzeug bis auf ein bis zwei Millimeter genau erfassen konnte und dank komplexer Rechenoperationen (der Rechner füllte den Kofferaum aus) auch bei Kurvenfahrt so exakt wusste, wo sich Bruchteile einer Sekunde später die Räder des Fahrzeugs befinden werden und was sich ihnen in den Weg stellen würde.


Unfassbar was damals für ein Aufwand betrieben werden musste für dieses System und umso erstaunlicher dass wir es jetzt bald in der neuen S-Klasse wirklich erleben können, wir alle und nicht nur die Forscher bei Mercedes. Sei es nun bei einer Mitfahrt in einem solchen Wagen oder weil wir das Glück haben mit einer prallen Portokasse gesegnet zu sein. Meine Lust auf die neue S-Klasse ist jedenfalls gerade noch einmal ein ganzes Stück gestiegen!

Wir sind gespannt auf die neue S-Klasse, und dies schon seit 1979!

Fotos: ©Daimler AG & Bildretusche Dreikommanull

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