Reiserechner

Reiseinformationen aus dem Computer – so hiess es im ersten Prospekt zur Vorstellung des neuen Daimler-Benz Bordcomputers – dem Reiserechner.

Premiere hatte er im September 1983 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt – doch bis hierhin war es ein weiter Weg – auf insgesamt sechs Jahre belief sich die Entwicklungszeit!

Als der W126 auf der IAA 1979 der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde war das Anti-Blockier-System (ABS) gerade seit einem guten Jahr auf dem Markt – es wurde für die Vorgängerbaureihe W116 gegen Aufpreis geliefert.

Elektronik war im Auto bis dato nur für Einspritz- oder bei Zündsystemen bekannt und dies auch nur in den seltesten Fällen. Dies änderte sich mit der neuen S-Klasse dann aber schlagartig – sie war voll von elektronischen Helfern.
Es gab zwar schon in Ansätzen kleine elektronische Helfer im Porsche 911 Turbo und auch in den frisch renovierten BMW 7er Modellen des Typs e23, aber der W126 hatte hier die Nase vorn.

Daimler-Benz hat sich aber auch damals schon viele Gedanken um die Kundschaft gemacht, weshalb in einem Sonderprospekt zur IAA 1979 auch die Aussicht auf „sinnvolle Elektronik im Auto der Zukunft“ gegeben wird. Aber auch erstmals fand der Reiserechner Erwähnung. Dort hiess es: an Geräten zur Darstellung elektronisch ermittelten Fahrerinformationen, sowie exakten Verbrauchsmeßgeräten werde derzeit gearbeitet.

Heutzutage wird ja sehr gerne darüber philosophiert wie viel elektronischer „Schnickschnack“ in modernen Fahrzeugen verbaut würde. Aber dieses Phänomen, ist in Wahrheit kein neues, vielmehr ist es schon über 30 Jahre alt und ob es ein wirkliches Problem ist liegt eindeutig im Betrachtungswinkel!

Die nächste Erwähnung des Reiserechners war ebenfalls in einem Sonderprospekt anlässlich einer IAA (1981) – hier ging es zwar hauptsächlich um die neuen großen Coupés 380SEC und 500SEC, aber es wurde auch aus der Forschungsarbeit bei Daimler-Benz berichtet und erstmals ein Foto eines Reisrechner-Prototypen gezeigt.

Interessant bei dem gezeigten Reiserechner-Prototypen ist dass der Drehzahlmesser noch unten im linken Instrument platziert wurde und die Skala genau entgegengesetzt läuft wie es tatsächlich später der Fall gewesen und bei den Mercedes-Fahrzeugen sonst üblich ist. Auch war die digitale Darstellung der Menüpunktauswahl des Reiserechnerdisplays noch wenig ansprechend und stellt die Auswahlpfeile schlicht andersherum dar wie es später in der Serienausführung der Fall war. Eine Uhr gab es ebenfalls nicht!

Ebenfalls war hier erstmals die Rede von einem universellen Fahrer-Informations-System (FIS) – etwas was wirklich eine solche Bezeichnung verdiente gab es erstmals mit Einführung der aktuellen S-Klasse W221 im Jahr 2005.
Auch wird erstmals ein Wartungsrechner erwähnt – im Grunde eine Vorstufe des heute verbauten Assyst Wartungssystems moderner Mercedes-Fahrzeuge – nur rund 20 Jahre früher!

Hierzu gibt es auch noch mehr unter der Rubrik „Auto 2000“ zu erfahren!

Kurze Zeit später wurde dann von der Presseabteilung ein weiteres Entwicklungsstadium des Reiserechners gezeigt – man erkennt schon den seriennahen Charakter:

Dieser Wagen hatte einige Zusatzfunktionen an Bord, wie z.B. ein Wartungssystem bei dem Fehlermeldungen mittels „Ausrufezeichen-Schalters“ in der Mittelkonsole quittiert werden mussten (so etwas ähnliches gab es später z.B. im Porsche 911, Modell 993).
Weiter hatte dieser Versuchwagen auch schon die erweiteren Warn- bzw. Kontrollleuchten im Kombiinstrument, mit deren Hilfe der Fahrer immer das Niveau des Kühl- und Scheibenwaschwassers sowie des Motoröls im Auge hatte.

Das erste offizielle Pressefoto gab es 1983 kurz vor der IAA:

Abgeschlossen waren die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erst im Jahre 1983 – im neuerlichen Sonderprospekt zur IAA 1983 stand zwar eigentlich nur der „Senna-Wagen“ – der neue Sport-Mercedes 190E 2.3-16 – im Mittelpunkt aber es wurde auch die Serienausführung des Reiserechners dem Kunden präsentiert.

Ab Anfang 1984 konnte unter dem SA-Code 245 der Reiserechner für die Modelle 280SE/SEL und die V8-Typen des W126 geliefert werden.

Seinerzeit suchte man etwas ähnliches Weltweit vergebens – es gab lediglich Verbrauchstendenzanzeigen wie z.B. die Economy-Anzeige bei Mercedes-Fahrzeugen, aber auch diese nur in ähnlich teuren Konkurrenz-Modellen.

Der Reiserechner konnte auf Knopfdruck immer sehr genau die Ankunftszeit am Zielort anzeigen, ohne das der Fahrer ständig im Kopf nachrechnen musste. Es reichte die passende Entfernungsstrecke einzuspeichern und schon konnte der Reiserechner das was heute ein Navigationsgerät übernimmt – aber ein solches gab es in den 1980er Jahren bekanntlich noch nicht (jedenfalls nicht käuflich zu erwerben).

Mit Einführung der 2.Serie des W126 (09/1985) wurde der Reiserechner für alle W126 Typen als SA lieferbar und kurz darauf auch für die 260E und 300E Typen der seinerzeit neuen mittleren Baureihe 124, sowie für alle SL-Typen der Baureihe 107.

Fotos: ©fuenfkommasechs.de & Daimler AG

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